Sachsen – ein Ort für Einheimische und Zugezogene
Unten aufgeführt finden Sie die Geschichte von Sachsen.
Die Sachsen kommen
Der Name „Sachsen“ für ein Dorf mitten in Franken überrascht viele, die diesen Ortsnamen zum ersten Mal hören oder lesen. Dieser Name und andere Umstände sind Belege dafür, dass das Dorf Sachsen um das Jahr 800 gegründet wurde. Kaiser Karl der Große führte zu dieser Zeit erbitterte Kämpfe gegen den germanischen Stamm der Sachsen, den er unterwerfen und christianisieren wollte. Um den Widerstand der hartnäckigen Sachsen zu brechen, ließ er viele von ihnen zwangsweise umsiedeln. Über den Bischof von Würzburg wurden auch dem Gumbertus-Kloster in Ansbach einige widerspenstige Sachsen zugewiesen, die in der näheren Umgebung des Klosters angesiedelt werden sollten. Auf diese Weise entstand vor mehr als 1200 Jahren nahe bei Ansbach auf einer leichten Anhöhe über dem Rezatgrund das Dorf „Sachsen“.
Sachsen, eine bedeutende „Urpfarrei“
Das Kloster in Ansbach schenkte seinen „Sachsen“ offensichtlich besondere Aufmerksamkeit. Die neue Ansiedelung wurde so angelegt, dass im Mittelpunkt des Dorfes die Kirche ihren Platz fand. Die „heidnischen“ Sachsen sollten schließlich zum Christentum bekehrt werden. Um die Kirche herum wurden die ersten Höfe angelegt, was in der Dorfanlage noch deutlich zu erkennen ist. Die Kirche der „Sachsen“ sollte nach den Vorstellungen des Gumbertus-Klosters auch für die übrigen Ansiedelungen fränkischer Bauern östlich von Ansbach zuständig sein, die bis dahin vermutlich noch keine eigene Kirche hatten. So wurde Sachsen zum Mittelpunkt einer „Urpfarrei“, die sich von Eyb bis kurz vor Windsbach und von Bammersdorf bis Bruckberg erstreckte. Das Kloster in Ansbach hatte in dieser Urpfarrei Sachsen selbstverständlich uneingeschränkt das Sagen in allen geistlichen Angelegenheiten.
Man darf davon ausgehen, dass um das Jahr 1200 bereits eine recht stattliche romanische Wehrkirche in Sachsen stand. Ihre Gestalt ist zum Teil heute noch am Mauerwerk der Kirche erkennbar. Schriftliche Urkunden aus dieser oder früherer Zeit sind leider nicht vorhanden. Die erste urkundliche Erwähnung des Ortes Sachsen geht zurück auf das Jahr 1277. Ein Ritter namens Conrad Heider hatte damals der Pfarrei Sachsen Grundbesitz vermacht. Im Jahr 1323 wurden die Kirche und der Mauerring des Kirchhofes erweitert, ein Hinweis darauf, dass es mit Sachsen stetig aufwärts ging. Die Kirche war mit „Gezierden löblich bekleidet“, wie es in einer Urkunde aus späterer Zeit heißt.
Sachsen wird Zankapfel der Mächtigen
Zu dieser Zeit waren die Burggrafen von Nürnberg (aus der Familie der Zollern) mit Hartnäckigkeit bemüht, sich außerhalb der Stadt ein Herrschaftsgebiet aufzubauen. Die reichen Nürnberger Bürger waren ebenfalls auf Machtzuwachs aus. Sie setzten ihrerseits alles daran, den adeligen Burggrafen aus ihrer Stadt hinaus zu drängen. Im Jahr 1331 gelang es dem Burggrafen Friedrich IV., die Stadt Ansbach mit den umliegenden Gebieten durch Kauf zu erwerben. Dieser Gebietserwerb war schicksalhaft für Sachsen: Das Wasserschloss Lichtenau und die umliegenden Dörfer, darunter auch Sachsen, gehörten nicht dazu. Sie verblieben unter der Herrschaft des Ritters Gottfried von Heideck, dem die Burg in Lichtenau gehörte. Als im Jahre 1406 dessen Sohn Friedrich von Heideck die Burg Lichtenau mit den umliegenden Orten an die Stadt Nürnberg verkaufte und nicht an den Zollern Friedrich VI., war der Grund gelegt für Hass und Streit. Friedrich der VI., der 1417 auch noch Markgraf von Brandenburg und Kurfürst wurde, setzte alles daran, Lichtenau mit den umliegenden Dörfern der Stadt Nürnberg abzutrotzen. Seine Nachfolger verfolgten das gleiche Ziel. Die Nürnberger ihrerseits dachten nicht daran, ihre Festung Lichtenau vor den Toren der markgräflichen Residenz in Ansbach zu räumen. Das Pflegamt Lichtenau sollte ein nürnbergischer „Stachel im Fleisch“ für die stolzen Markgrafen von Ansbach sein. Die Pfarrei Sachsen war dabei ein Faustpfand für die markgräfliche Seite, denn Sachsen war seit seiner Gründung mit Ansbach eng verbunden. Damit waren die Voraussetzungen für einen 400-jährigen Streit geschaffen, unter dem Sachsen sehr zu leiden hatte.
Zerstörung im Markgrafenkrieg 1449/50
Markgraf Albrecht Achilles wollte in den Jahren 1449/50 mit Gewalt die Macht der Stadt Nürnberg brechen. Ein Bündnis von Fürsten unter der Führung des Markgrafen führte ein Jahr lang einen erbitterten Krieg gegen die Reichsstädte, insbesondere gegen Nürnberg. Dabei wurden zahllose Dörfer zerstört. Auch das Dorf Sachsen ging in Flammen auf. Die Kirche und der Kirchturm wurden zerstört. Im Jahre 1461 konnte ein neuer Kirchturm fertig gestellt werden, dessen Mauerwerk heute noch steht. Seine kühne Spitze wurde im 17. Jahrhundert für etwa 80 Jahre vorübergehend durch eine „Welsche Haube“ ersetzt. Seit 1699 hat der Kirchturm wieder seine ursprüngliche Form und zeigt den Stolz der einst ansbachischen Pfarrei Sachsen und ihrer Herrschaft gegenüber den Nürnbergern in Lichtenau.
Streitigkeiten ohne Ende
Mit der Einführung der Reformation im Fürstentum Ansbach und in der Reichsstadt Nürnberg stieg die Zahl der teilweise kleinlichen Streitigkeiten zwischen den beiden Herrschaften. Sachsen lag zweifellos auf nürnbergischem Gebiet, die Markgrafen, vor allem Georg Friedrich I., pochten aber auf ihre alten Rechte an der Pfarrei Sachsen. Da in evangelischen Gebieten der Landesherr gleichzeitig „Landesbischof“ war, beanspruchten sowohl Ansbach als auch Nürnberg ihre Rechte. Dabei wurde u. a. um folgende Fragen heftig gestritten: Wer darf den Pfarrer auswählen und einsetzen? Welcher Herrschaft ist der Pfarrer durch Eid verpflichtet? Dürfen Bekanntmachungen („Mandate“) der Reichsstadt Nürnberg in der Kirche in Sachsen verlesen werden? Dürfen Bekanntmachungen der Stadt Nürnberg am Kirchhoftor angeschlagen werden? Müssen „gefallene Bräute“ bei ihrer Trauung einen Strohkranz tragen (Vorschrift der Stadt Nürnberg) oder ist das verboten (markgräfliche Anweisung)?
Zuwanderer aus Oberösterreich bringen neues Leben nach Sachsen
Der 30-jährige Krieg hat Sachsen schwer getroffen. Auch wenn in den ersten Kriegsjahren hier noch wenig vom Krieg zu spüren war. Das änderte sich im Herbst des Jahres 1631 schlagartig. 1632 lagen sich rund um Nürnberg die gewaltigen Heere von Wallenstein und Gustav Adolf gegenüber. Die Burg Lichtenau wurde von kaiserlichen Truppen zweimal kampflos eingenommen und besetzt. Das bedeutete, dass überall brutal Zwangsabgaben eingetrieben wurden. In Sachsen und in den anderen Dörfern der Umgebung tauchten immer wieder Soldaten auf und führten erbarmungslos alles weg, was sie bekommen konnten. 1633 wurde das Dorf größtenteils niedergebrannt, den umliegenden Dörfern erging es nicht besser. Nur die Kirche blieb einigermaßen unversehrt. Pfarrer Michael Löscher wurde von plündernden Soldaten erschlagen. 1634 traten auch noch Seuchen auf, die vor allem die Kinder wegrafften. Als 1648 endlich Frieden geschlossen wurde, war Sachsen ebenso wie andere Dörfer weitgehend zerstört, öde und entvölkert.
Wieder einmal fanden Fremde in Sachsen eine neue Heimat. Evangelische Bauern im habsburgischen Oberösterreich waren vor die Wahl gestellt, entweder katholisch zu werden oder auszuwandern. Viele entschieden sich für das Auswandern und übernahmen verlassene Höfe im Frankenland. So brachten nach dem 30-jährigen Krieg zahlreiche Zuwanderer aus Österreich neues Leben nach Sachsen und trugen zum Wiederaufbau bei.
Peinliche Streitigkeiten und ihr Ende
Die Machtkämpfe zwischen Nürnberg und Ansbach und die damit verbundenen kleinlichen Streitigkeiten wurden auch nach dem 30-jährigen Krieg fortgesetzt. Da in Lichtenau erst 1788 ein eigener Friedhof angelegt wurde, kam es im Zusammenhang mit Beerdigungsfeiern häufig zu Auseinandersetzungen. Aus dem Jahr 1704 wird berichtet, dass bei der Beerdigung eines Lichtenauers in Sachsen der Lichtenauer Lehrer und der Lehrer aus Sachsen mit ihren Schulkindern zur gleichen Zeit verschiedene Lieder sangen und sich gegenseitig zu überschreien versuchten. Der Richter des Pflegamtes Lichtenau griff ein und schlug den Lehrer aus Sachsen blutig. Die Auseinandersetzungen wurden erst beendet, als 1806 das Fürstentum Ansbach und die Reichsstadt Nürnberg im Königreich Bayern aufgingen und damit auch Sachsen und Lichtenau bayrisch wurden.
Neue Zeiten – bessere Zeiten – schlechte Zeiten
Der Anbruch einer neuen Zeit war schon vor dem Ende des 18. Jahrhunderts zu spüren. Der letzte Markgraf verkaufte sein Fürstentum 1791 an Preußen. Damit wurde die Pfarrei Sachsen eine königlich preußische. Die Kirche in Sachsen war schon seit längerer Zeit baufällig. Es wurde ernsthaft erwogen, die Kirche abzureißen und durch einen Neubau zu ersetzen. Das ist nicht geschehen. Man hat die Kirche 1804 dem damaligen Zeitgeschmack entsprechend umgestaltet und in den heutigen Bauzustand versetzt. Leider sind bei dieser Maßnahme mehrere alte Altäre aus vorreformatorischer Zeit verschwunden. 1813 wurde auch die im 15. Jahrhundert erbaute Kapelle einer Sebastians-Bruderschaft im Friedhof abgerissen. Übrig geblieben ist nur die Krypta unter dem Gefallenen-Denkmal.
Folgenreiche Veränderungen für Sachsen brachte der Bau der Eisenbahnlinie Nürnberg-Ansbach-Crailsheim. Nicht nur die Landschaft und das Ortsbild wurden durch den gewaltigen Bahndamm quer durch das Erlbachtal verändert. Als 1875 der erste Zug am Bahnhof in Sachsen hielt, war Sachsen zum Eisenbahnerdorf geworden, das der Bevölkerung neue Aussichten eröffnete.
Der erste und zweite Weltkrieg brachte auch für die Bevölkerung von Sachsen viel menschliches Leid, wie überall in Deutschland. Auch wenn die Bahnlinie mehrfach Ziel von Fliegerangriffen war, gab es keine Zerstörungen durch Kriegseinwirkung.
Heimat für Vertriebene und „Siedler“
Die mächtige Kirche und der außergewöhnliche Kirchturm erwecken den Eindruck, als wäre Sachsen in früheren Zeiten ein stattliches Dorf gewesen. Das trifft nicht zu. Sachsen war in der Vergangenheit das Zentrum einer großen Pfarrei, das Dorf selbst aber war eher bescheiden. Im Jahr 1936 zählte das Dorf Sachsen selbst nur 281 Einwohner. Mit dem Bahnhof, den Bahnposten und den Dörfern der Pfarrei waren es 1075.
Eine erhebliche Steigerung der Einwohnerzahl brachte das Ende des 2. Weltkriegs. Die Neubürger, Heimatvertriebene aus dem Osten, kamen nicht freiwillig und wurden auch nicht immer mit offenen Armen aufgenommen. Manche blieben nur wenige Jahre in Sachsen – andere fanden in Sachsen eine neue Heimat.
Erst seit 1950 haben Menschen aus eigenem, freien Entschluss Sachsen als Wohnort erwählt und sich hier „häuslich“ niedergelassen. Die ersten „Siedlungshäuser“ entstanden 1950 am „Kuhberg“. (Mit Rücksicht auf die Empfindsamkeit der Zugezogenen wurde er bald in „Vorderberg“ umbenannt.) Seither wurden immer wieder neue Baugebiete erschlossen. Äcker wurden Bauplätze und ein Landwirt nach dem anderen verkaufte seine Kühe. Nicht nur Wohnhäuser entstanden, auch zahlreiche Betriebe ließen sich in Sachsen nieder. Das Erfolgsrezept für den Aufschwung von Sachsen war über Jahre hinweg einfach: Preiswerter Baugrund, Nähe zu Ansbach, Bahnverbindung nach Nürnberg und freundliche Alteinwohner.
Die Neubürger forderten von den alteingesessenen „Sächsnern“ viel Geduld und Anpassungsfähigkeit. Innerhalb weniger Jahrzehnte entwickelte sich Sachsen vom Bauern- und Eisen-bahnerdorf zum Wohnort für Menschen aus allen Berufen und Bevölkerungsschichten und diese Entwicklung ist noch nicht abgeschlossen.
Eine katholische Pfarrei entsteht
Viele der Neubürger waren katholisch. Sie wurden seelsorgerlich betreut durch die Kuratie der Pfarrei Heilsbronn in Lichtenau. Seit 1946 fanden regelmäßig katholische Gottesdienste in der evangelischen Kirche in Neukirchen statt. Mit der Zahl der katholischen Gemeindemitglieder wuchs auch der Wunsch nach einer eigenen Kirche. 1961 gründete sich ein Kirchenbauverein, 1963 konnte ein Grundstück für den Kirchenbau erworben werden und 1965 wurde die neu erbaute Kirche „St. Josef dem Arbeiter“ geweiht. 1968 erhielt die Kirche vier Glocken, 1971 eine Orgel und 1980 wurde die künstlerische Ausstattung der Kirche mit dem Kauf eines Altarbildes abgeschlossen. 1970 fand schließlich die Gründung der selbständigen katholischen Pfarrei Sachsen-Lichtenau statt.
Gebietsreform beseitigt Grenzen
Die „Gebietsreform“ sorgte in den Jahren von 1970 bis 1980 für heftige Diskussionen. Die Eigenständigkeit der Gemeinde Sachsen wurde in Frage gestellt. Ein Zusammenschluss mit der Stadt Ansbach oder mit der Marktgemeinde Lichtenau wurde ernsthaft diskutiert, aber nicht realisiert. 1972 entstand durch freiwilligen Zusammenschluss die heutige Gemeinde Sachsen bei Ansbach mit den Ortsteilen Sachsen, Milmersdorf, Volkersdorf, Rutzendorf, Rutzenmühle, Alberndorf, Steinbach, Büchenmühle, Hirschbronn, Neukirchen, Ratzenwinden, Obere und Untere Walkmühle und Steinhof. Eine im Mai 1978 auf Drängen der Regierung gegründete Verwaltungsgemeinschaft der Gemeinden Lichtenau und Sachsen fand vor allem in Sachsen nur geringen Zuspruch. Sie bestand nur kurze Zeit, seit 1980 ist Sachsen wieder eine selbständige Gemeinde mit ihren zahlreichen Ortsteilen.
Dorferneuerung
Die Veränderungen, die Sachsen im Laufe der letzten 70 Jahre erlebt hat, waren gewaltig und stellten Verantwortliche in Politik und Verwaltung, aber auch die einzelnen Bürgerinnen und Bürger immer wieder vor neue Aufgaben. Die Gemeinde Sachsen war sich dieser Tatsache bewusst und hat in den letzten Jahren staatliche Hilfen über das Amt für Ländliche Entwicklung im Rahmen der Dorferneuerungsrichtlinien in Anspruch genommen. Nicht zuletzt dank dieser Unterstützung ist es gelungen, Ortskerne zu verschönern, Straßen und Wege zu sanieren und die Aufteilung der Fluren zu optimieren. Auf diese Weise ist viel geschehen, um die Gemeinde Sachsen mit allen ihren Ortsteilen gleichermaßen zukunftsfähig, lebenswert und liebenswert zu machen.
Eisenbahn in Sachsen
Ein bedeutender Standortvorteil gegenüber anderen vergleichbaren Gemeinden stellte seit jeher der Anschluss Sachsens mit eigenem Bahnhof an die Eisenbahnlinie Ansbach – Nürnberg dar.
Ab 1875, als die Bahnlinie eröffnet wurde, wurden zwar überwiegend Güter befördert und der Sachsener Bahnhof war auch noch relativ weit von der Ortschaft entfernt. Doch setzte nach dem 2. Weltkrieg eine starke Bautätigkeit ein und für viele, vor allem gut betuchte Bürgerinnen und Bürger aus der nahen Regierungshauptstadt war die Möglichkeit, mit dem Zug zur Arbeit zu fahren, ein wesentlicher Grund für ihre Entscheidung, sich in Sachsen anzusiedeln.
Auch für die damals noch selbstständige Niederlassung der Firma EDEKA war die Möglichkeit, einen Gleisanschluss zu nutzen, ein wichtiger Grund, sich hier anzusiedeln.
Der Vorteil eines Bahnanschlusses wurde ab 2010 noch verstärkt wahrgenommen, als auf dieser Verbindung die S-Bahn ihren Betrieb aufnahm und viele der Bauwilligen neben den günstigen Preisen für Bauland auch die S-Bahn als Kriterium für ihre Standortentscheidung nannten.
Text: Hans-Gerhard Dürr
Ergänzungen und Bilder: Johann Bodächtel